Hallo Leute! Ich
habe wieder was Tolles kennen gelernt und davon muss ich euch unbedingt
erzählen. Es handelt sich um das sogenannte Mantrailing. Dabei nutzen die
Menschen unsere überragende Riechfähigkeit, in der wir Hunde ihnen ja
hochhausweit überlegen sind. Wir nehmen dabei den Geruch einer Person auf, zum
Beispiel über ein von ihr getragenes Wäschestück, und dann folgen wir dieser
Duftspur über Stock und Stein, über Wiesen und Asphalt und so weiter und so
fort, bis wir sie gefunden haben. Unsere Herrchen und Frauchen machen das
entweder als Freizeitbeschäftigung mit uns oder auch als ernsthafte
Rettungseinsatz, bei dem wie vermisste Personen suchen. Ich habe mit dieser
Ausbildung erst begonnen, gelte jedoch als riesen Talent. Vielleicht ergibt
sich einmal eine Situation, die so abläuft, wie es sich Herrchen in der
folgenden Geschichte ausgemalt hat. Diesmal erleben wir die Geschehnisse einmal
aus seiner Sicht (darf ausnahmsweise auch mal sein).
Es regnet in
Strömen, kalter Wind pfeift durch die Gassen. Das war es wohl mit den schönen,
warmen, sonnendurchfluteten Herbsttagen. Die wenigen bunten Blätter, die jetzt
noch auf den Bäumen hängen, wehren sich verzweifelt dagegen, vom Sturm
losgerissen und durch die Gegend gewirbelt zu werden. Bei diesem Wetter sollte
ich es wirklich machen? Ich sollte tatsächlich aus dem warmen, trockenen Auto
aussteigen?
Ja, ich musste.
Meine Labradorhündin Alexa wartete in ihrer Box im Kofferraum schon auf ihren
Einsatz. Vor ungefähr einer halben Stunde war der Anruf gekommen: eine
vermisste Person. Im Einkaufszentrum war die alte, verwirrte Dame zuletzt
gesehen worden, seither gab es keine Spur mehr von ihr. Zumindest keine Spur,
der Menschen folgen konnten. Das galt aber nicht für meinen Hund, ausgebildet
im Mantrailing, trainiert darauf, seine hoch sensible Nase einzusetzen, um der
Geruchsspur eines verschwundenen Menschen zu folgen.
Nun gut, gehen
wir’s an, dachte ich, stieg aus dem Wagen, zog den Reißverschluss meiner
Regenjacke hoch und holte Alexa aus der Box. Wie immer schien ihr das Wetter
überhaupt nicht auszumachen. Ich streifte ihr das Trailgeschirr über. Sie
wusste natürlich, was jetzt kommen würde, und war schon ganz aufgeregt. Kurz
wärmten wir uns auf, dann hielt ich ihr den Geruchsgegenstand vor die Nase,
eine Bluse der vermissten Person. Alexa roch - nur scheinbar oberflächlich -
daran, warf mir einen wissenden Blick zu, ich sagte ihr Startwort „Trail“ und
schon stürmte sie los, die Leine spannte, ich rannte hinter ihr her. Hinter uns
folgte der Rest des Einsatzteams: Notarzt, Sanitäter und so weiter.
Es ging quer
über den großen Parkplatz. Ständig achtete ich darauf, dass Alexa nicht in
eines der zahlreichen Autos rannte, die sich von links und rechts näherten und
von meiner Hündin, die voll und ganz auf ihre Aufgabe konzentriert war,
natürlich nicht beachtet wurden. Vor der Hauptstraße musste ich sie kurz
abbremsen, ein Traktor wäre uns fast zum Verhängnis geworden. Endlich war die
Straße frei, die Suche konnte weitergehen. Durch enge Gassen, über Straßen und
Plätze führte mich Alexa, folgte unbeirrbar der Geruchsspur, die nur sie
wahrnehmen konnte. Passanten wichen uns aus, manche verschreckt, manche
verwundert, einige erstaunt, nur wenige ärgerlich.
Wir erreichten
den Stadtrand und weiter ging es über eine Wiese und danach hinein in ein
kleines Birkenwäldchen. Unvermutet blieb Alexa stehen. Der Geruch musste jetzt
ganz intensiv sein, das konnte ich aus ihrer Körpersprache ablesen. Noch ein
Stück ging sie vor in das dichte Unterholz, dann setzte sie sich hin. Ich trat
an ihre Seite und konnte die vermisste Person erkennen. Noch wusste ich nicht,
in welchem Zustand sie war, das Rettungsteam befand sich aber nicht weit hinter
uns und würde uns rasch eingeholt haben.
Alexa hatte
ihren Job getan, wie immer ausgezeichnet, sicher und erfolgreich. Natürlich
lobte ich sie überschwänglich, obwohl es mir in Situationen wie diesen nicht so
leicht fiel, wenn ich nicht wusste, ob der Mensch, den wir gefunden hatten,
auch noch lebte. Sie bekam ihre Futterbelohnung und - das wichtigste nach dieser
harten, intensiven Arbeit - viel zu trinken. Durch Rascheln und Knacken wurde
ich aus meinen Gedanken gerissen, der Notarzt und sein Team trafen ein. Nach
kurzer Zeit konnte Entwarnung gegeben werden. Die Gefundene war zwar stark
unterkühlt, aber am Leben. Die Geschichte war zum Glück gut ausgegangen. Leider
ist das nicht immer der Fall und manchmal gibt es auch kein Happy End. Alexa
wurde von allen, die gerade nicht beschäftigt waren, mit Leckerli und
Streicheleinheiten überhäuft. Sie genoss es sichtlich und wusste, dass sie
wieder einmal die Heldin des Tages war.
Also, das
gefällt mir. Ich, Alexa, als Heldin des Tages! Herrchen weiß, wie gute
Geschichten erzählt werden und, vor allem, wie sie enden müssen. Also, dieses
Mantrailing ist wirklich eine tolle Sache: Ich darf Herrchen an der Leine durch
die Gegend ziehen, weil ja nur ich weiß, wo es lang geht, ich darf mein Näschen
einsetzen, und ich werde am Schluss ausreichend belohnt mit Futter, Lob und was
es da sonst noch alles gibt. Ich kann das jedem meiner Artgenossen nur
empfehlen. Damit ich tatsächlich zur Tagesheldin werde, muss ich natürlich noch
viel üben, aber in diesem Fall macht das mächtig Spaß.
Zum Abschluss
möchte ich euch noch ein paar Fakten nennen, weil ich gar so mächtig stolz bin
drauf: Wir Wuffs haben in unserem Näschen bis zu 300 Millionen Riechzellen.
Lasst euch das mal auf der Zunge zergehen! Die Informationen werden
weitergeleitet zu einer spezialisierten Region in unserem Gehirn, dem
Riechkolben. Der Hirnteil, der somit fürs Auswerten und Verarbeiten des
Riechens zuständig ist, nimmt ungefähr 10% des Gehirnvolumens ein; bei euch
Menschen ist das nur rund 1%! Und wir können bis zu 300 Mal in der Minute Luft
durch unsere Nase einsaugen. Da kommt schon eine ganze Menge an Information zusammen.
Abgesehen von dem, was wir noch über das Vomeronasalorgan aufnehmen, das im
Maul hinter den Schneidezähnen liegt. Damit schmecken wir quasi Duftmoleküle.
In Bezug auf die Grundausstattung sind wir von Mütterchen Natur somit
reichhaltig ausgestattet worden. Durch Training werden all diese Anlagen noch
verbessert, verfeinert, gefördert und verstärkt. Übung macht den Meister!
Also, bis zum
nächsten Mal. So long, eure Alexa.